4 1/2 Tage Wildnis

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Die wohl schweste Zeit, die wir gemeinsam als Familie bisher meistern mussten liegt hinter uns. Als Virginia verschwunden war, hat es uns den Boden unter den Füßen weggezogen.

 

Ich möchte diesen Blogeintrag schreiben, um den ein oder anderen, der vielleicht ebenfalls in diese Situation gerät helfen zu können. Natürlich wünsche ich es absolut niemandem. Man kann sich einfach nicht vorstellen, wie schlimm es sich angefühlt hat.

Fangen wir von vorne an, damit ihr versteht, wie es dazu genau kam.

 

Domenic und ich befanden uns in Ägypten im Urlaub. Virginia und ihre Tochter Alaska waren in dieser Zeit bei meinen Eltern gut aufgehoben. Da Missouri (Virginias Schwester) sich ausgerechnet diese Zeit aussuchte, um läufig zu werden, hatten wir für den Decktag einen Plan B in der Tasche, da wir nicht selbst fahren konnten. Meine Mama und mein Papa waren so lieb, mit der Maus zum decken zu fahren. Da es ein weiter Weg war und sie eine Nacht im Hotel verbringen mussten, sollten Virginia und Alaska, bei einem ehemaligen Arbeitskollegen von Domenic bleiben. Am 26.09. sollte es losgehen. Also fuhren sie mit den Beiden frühs zu unseren Bekannten, um sie abzugeben.

Nach der Übergabe ging alles recht schnell. Meine Eltern fuhren los und holten Missouri ab, dann ging es für sie auf die Autobahn.

 

Währenddessen wollten unsere Bekannten mit den Beiden Mädels erstmal ins Haus gehen. Da lag unser erster Fehler. Die Beiden hatten zwar alle aus der Familie schon mal gesehen, aber noch nicht oft und bei ihnen am oder im Haus waren sie leider auch noch nie. Dazu kam noch die Tochter, mit Übernachtungsbesuch und die schnelle Übergabe der Beiden im Garten. Das alles muss für Virginia leider ein wenig zu viel auf einmal gewesen sein, denn sie machte drei Schritte rückwärts, weg von der Haustür. Fehler Nummer 2 war die Retrieverleine, die sie anstatt ihrem Geschirr trug. Aus der schlüpfte sie leider ziemlich schnell raus und war frei.

In diesem Moment war soweit noch alles gut. Jedenfalls so gut es eben in so einer Situation war. Unsere Bekannten haben sich so verhalten, wie sich vermutlich in dieser Situation jeder verhalten hätte. Sie hatten Angst wegen der Straße und weil der ihnen anvertraute Hund ihnen nicht abhanden kommen sollte. Also kam es zum dritten Fehler, denn sie liefen ihr nach, riefen sie und "verfolgten" sie dann mit dem Fahrrad. Oh ja, so ein Dackel ist eben verdammt schnell.

 

Leider muss Virginia sich dadurch gejagt gefühlt haben und ist in den sogenannten "Fluchtmodus" verfallen. In diesem Modus, geht es für den Hund nur noch ums überleben. Alles andere zählt für sie nicht mehr und sie nehmen selbst ihnen vertraute Geräusche nicht mehr als diese wahr. Sie können bekannte Stimmen nicht mehr als diese einordnen und sie fühlen sich tatsächlich sogar davon bedroht.

 

Am selben Tag noch haben unsere Bekannten, zusammen mit unseren besten Freunden stundenlang nach ihr gesucht, aber konnten sie einfach nicht finden. Sie fuhren auch öfter mal zu uns nach Hause, auch meine Schwester später nochmal. Aber auch da war sie nicht anzutreffen. Vermutlich wollte sie sich aber auch nicht finden lassen.

Halstuch von @strandhausdogs

Wir haben natürlich sofort einen Flug nach Hause gebucht, als sie am Nachmittag dann noch immer nicht wieder da gewesen ist. Hatten auch Glück und sind noch in der Nacht zum Flughafen gefahren. 6Uhr ging der Flug und gegen 10:30Uhr sind wir dann in Berlin gelandet. Leider war sie zu dem Zeitpunkt noch nicht wieder da. Es standen noch ca. 3h Fahrt an. 1 1/2 Stunde bevor wir unser Ziel erreichen sollten, kam dann die Nachricht, dass der Nachbar Virginia gesehen hatte. Wir hatten also die große Hoffnung, dass sie noch dort in der Nähe war und kommen würde, sobald sie uns hört. Leider war dem nicht so. Dass sie unsere Stimmen nicht verstehen würde, dass wussten wir in diesem Moment noch nicht.

 

Wir richteten daheim auf der Terrasse eine Futterstelle ein und ließen die Tür offen und stellten unsere Hundekamera davor auf. Wir waren uns zwar sicher, dass sie nicht heimlaufen würde, da sie den Weg einfach noch nie zuvor gelaufen ist, wollten aber nichts unversucht lassen. Sogar mit einer Wärmebilddrohne flogen wir am Abend noch unsere Runden, leider ebenfalls ohne Erfolg.

 

Informiert haben wir: Tasso, die Polizei, die Bundespolizei (die sind für die Meldungen auf den Bahnschienen zuständig), das Tierheim, sogar die Lokführer, das  Forstamt, die Jäger und natürlich das ganze Dorf.

Halsband von @am.hals

Ich verbrachte die nächsten drei Nächte im Auto auf dem Grundstück unserer Bekannten. Immer Futter und etwas was nach mir roch am Auto platziert. Ich stellte mir aller 30min einen Wecker und entwickelte eine eigene Routine. Wecker aus, Brille auf, Scheibe abwischen, Blick einmal rundum schweifen lassen und schauen ob ich sie sehe. Leider hatte ich kein einziges Mal Glück.

 

Am nächsten Morgen durchsuchten wir das Internet nach Pettrailern. Viele sagten, ein Pettrailer sollte direkt vor Ort sein, so lange die Spur noch frisch ist. Wir gelangten allerdings an eine Trailerin, die mir unheimlich wertvolle Tipps mit auf den Weg gab. Von ihr erfuhr ich, dass sie uns nicht hören konnte, selbst wenn sie es gewollt hätte, da ihre Angst es ihr schier unmöglich machte, an etwas anderes zu denken, als ans Überleben. Das einzige was wir tun konnten, war es Ruhe zu bewahren und statt zu rufen und sie zu suchen, eine Duftspur zu legen.

 

Da ich nicht von meiner Position weichen wollte, übernahm das Domenic, oft zusammen mit Missouri, während die beiden Kleinen bei mir blieben und mir Trost spendeten, denn das schlimmste an dieser Situation ist die Zeit, in der man wartet. Einem gehen Gedanken durch den Kopf, die man sich in seinen schlimmsten Träumen nicht ausmalen kann. Dass die Bahngleise nur 15 Meter hinter dem Haus lagen, machte die Sache nicht besser.

Es war nun der dritte Tag, nachdem sie weggelaufen war und so langsam wurde die Verzweiflung immer größer. Wir hängten Unmengen an Suchplakaten auf, in der Hoffnung, dass uns wenigstens eine Sichtung gemeldet wurde, teilten es auf sämtlichen Plattformen und Seiten, um möglichst viele Leute darauf aufmerksam zu machen. Domenic lief weiter Streife und ich blieb im Auto und wartete auf Virginia.

 

Am Abend kam dann eine Freundin, die im Tierheim arbeitet und schon öfter bei der Suche nach vermissten Tieren geholfen hat vorbei. Mit einer Wildkamera und Futter im Gepäck, richteten wir eine verstecktere Futterstelle ein, die von der Kamera überwacht wurde. Hätte das ganze funktioniert, hätten wir Virginia so gesehen und sie in den nächsten Tagen eventuell mit einer Lebendfalle sichern können. Um sie zu der Futterstelle zu locken, nutzten wir eine sogenannte "Schleppe". Die Schleppe funktioniert folgender Maßen: Man kocht eine richtig stinkende Suppe, z. B. aus Hühnerbrühe, Leberwurst und Lachsöl oder pürierten Sprotten. Diese wird in Flaschen abgefüllt, man läuft zu dem Punkt, an dem der entlaufene Hund vermutet wird und auf dem Rückweg wird die lecker riechende Suppe bis zur Futterstelle gezogen. Nachdem wir das gemacht hatten, gingen wir mit neuem Mut in die Nacht.

 

Am nächsten Morgen aber die Ernüchterung. Leider ist keiner an der Futterstelle gewesen. Der neugewonnene Mut war wieder verloren und die Verzweiflung groß.

Am nächsten Tag kamen meine Freundin und ihre Kollegin nach der Arbeit im Tierheim mit weiteren Wildtierkameras, neuer lecker riechenden Suppe und Futter im Gepäck wieder. Wir richteten zwei weitere Futterstellen, überwacht durch Kameras ein und zogen zum Schluss weitere Schleppen von diesen Futterstellen zurück zum Entlaufpunkt.

 

Dort angekommen, wollten wir als letztes noch eine Live-Kamera installieren, damit wir Beide mal daheim schlafen konnten, denn die Nächte wurden auch für mich immer kälter und die Müdigkeit war groß. Wir hatten einige Mühe die Kamera zum laufen zu bringen und brauchten beinahe eine Stunde. Endlich fertig, wollten wir einfach nur noch nach Hause, denn so eine Zeit zerrt ganz schön an den Kräften.

 

Domenic saß schon im Auto, ich wollte die Beiden mit unserem anderen Auto noch heimfahren. Als ich die Autotür aufmachte, erschrak ich erstmal gewaltig . Auf einmal hüpfte unsere Maus nach 4 1/2 unendlich langen Tagen, die sie vermisst wurde zur Autotür rein und sprang mir in die Arme. Selbst jetzt noch beim Gedanken daran schießen mir die Tränen in die Augen und ich bekomme eine Gänsehaut.

 

Mit Virginia im Arm und Tränen im Gesicht kam aus mir nichts weiter raus außer ihrem Namen, den ich sicher 50 Mal wiederholte. Domenic wusste erstmal gar nicht was los war. Aber als er verstand, dass unser Mädchen wieder da war, da drückte auch er sie so fest er konnte an sich.

Wir, unsere Freunde und unsere Bekannten, wo sie weggelaufen waren lagen uns alle vor Freudestrahlend in den Armen. Wir hatten es geschafft. Unsere Familie war wieder vollständig und diese schrecklichen Tage lagen hinter uns.

 

Wir fuhren heim. Dort bemerkten wir Virginias Wunde am Schwanz. Nach Rücksprache mit der Notsprechstunde, warteten wir allerdings bis zum nächsten Tag. Heute sieht die Wunde nun schon sehr viel besser aus und ist am heilen.

 

Nach dem Tierarzt fuhren wir die Plakate einsammeln und die Kameras holen. Bei einer Futterstelle war tatsächlich der Napf leer. Neugierig, wer das Futter wohl gefressen hatte, schauten wir uns die Aufnahmen der Wildtierkamera an und ihr werdet es uns nicht glauben, aber darauf zu sehen, war doch tatsächlich unsere hungrige Maus! Nur eine Stunde nachdem wir die Futterstelle aufgestellt haben, wurde sie von der Kamera aufgenommen. Eine weitere Stunde später sprang sie mir dann ins Auto.

 

Das bedeutet, sie ist in der einen Stunde nach dem fressen, der 1 1/2km langen Spur gefolgt, die wir gelegt haben und hat uns gefunden. Die Futterstelle und die Schleppe hatten also tatsächlich so funktioniert, wie geplant war. Hätten wir also mit der Live-Kamera nicht so lange gebraucht, wären wir weggewesen, eh sie uns erreicht hätte. Diesen Moment, als ich die Autotür öffnete und sie ins Auto und von da in meine Arme, werde ich in meinem Leben nie wieder vergessen.

Ganz zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass wir keinem auch nur die kleinsten Vorwürfe machen dürfen, selbst uns nicht. Es waren einige Fehler die begangen wurden und ich hoffe, dass ich euch damit zeigen konnte, wie es zu so einer Situation gar nicht erst kommt und wenn doch, was ihr tun könnt und was ihr nicht machen solltet. Das sind nur Tipps und jede Situation ist anders, genauso wie jeder Hund, aber ich möchte euch auch Mut machen, dass man die Hoffnung niemals aufgeben darf und es am Ende noch alles gut werden kann.

 

Und jetzt möchten wir uns noch bei allen bedanken. Bei unseren Bekannten, die uns beherbergt haben, bekocht und jede freie Minute unterstützt. Bei meinen Freunden, sowohl für die tatkräftige als auch mentale Unterstützung, meiner Familie und auch bei jedem, der Virginias Anzeige geteilt hat, an uns gedacht hat und uns Mut zugesprochen hat. Ich bin dankbar, dass ihr an unserer Seite wart.

Kommentare: 4
  • #4

    Jessi & Baki (Donnerstag, 14 Oktober 2021 23:22)

    Wir sind so froh, dass ihr eure Maus wieder gefunden habt. Beim Lesen des Beitrags sind mir die Tränen über die Wangen gekullert. Ich kann nur erahnen wie schlimm diese Situation für euch gewesen sein muss. Hut ab, dass ihr so lange nach ihr gesucht habt & sie wieder bei euch habt! Wir wünschen euch alles Gute ❤️

  • #3

    Sophie und Julie (Montag, 11 Oktober 2021 17:04)

    Danke für diesen super toller Beitrag, mit viel Herz. Wir haben mit euch mit gefiebert und sind froh das du deine Zaubermaus wieder hast. Ich kann mir gut vorstellen, was das für ein Gefühl war sie wieder im Arm zu halten.

  • #2

    Jana, David und Walt (Sonntag, 10 Oktober 2021 22:26)

    Wir sind so froh, dass die kleine Maus wieder da ist! Vielen lieben Dank für das Teilen der Geschichte dazu. Viele Grüße von uns und einen Schnüffler von Walt an seine Schwester �

  • #1

    Sara, Tigo und Kody (Sonntag, 10 Oktober 2021 21:42)

    Ich habe die ganze Zeit richtig mitgefiebert und hatte Tränen in den Augen als ich deine Story gesehen habe, dass sie wieder da ist. Und auch jetzt sind mir beim Lesen Tränen übers Gesicht gelaufen. Zum Glück ist alles gut gegangen.